HR & Digitalisierung: Rekrutierungsprozesse für Hochschulen optimieren

HR & Digitalisierung: Rekrutierungsprozesse für Hochschulen optimieren

HR-Roundtable 2019: Digitale Rekrutierungsprozesse an der Hochschule

Führungskräfte verschiedener Hochschulen reflektieren Potenziale und Hürden bei der Einführung von digitalen HR-Lösungen am Berinfor-Roundtable. Um international anschlussfähig zu bleiben, erfordert das Recruiting in Wissenschaft und Hochschulverwaltung effiziente, transparente und nicht zuletzt flexible Prozesse. Im HR werden viele repetitive Vorgänge von Hand erledigt – nicht immer kompatibel mit den Anforderungen der DSGVO. Die Vielfalt von Trends und Tools erschwert jedoch die Entscheidung für nachhaltige technische Lösungen. Erfolgreiche Digitalisierung erfordert in Personalabteilungen ein Umdenken: Nicht nur Lebensläufe und Zeugnisse der Bewerbenden, sondern Personalservice und Auswahlprozesse der Hochschule werden wichtig.

Die Schlagzeilen der Fachpresse, von Chatbots und Big Data bis zu Machine Learning und Search Engine Optimization, lösen bei Personalverantwortlichen in Hochschulen oft Skepsis aus. Es kann doch wohl nicht gemeint sein, dass Bildungsabschlüsse und Lebensläufe abgeschafft werden sollen? Ersetzen dann automatisierte Auswahlprozesse irgendwann persönliche Bewerbungsgespräche? Als Fazit der Diskussionen am Berinfor HR-Roundtable 2019 wird ein klares Nein auf diese Fragen ergänzt mit einem differenzierten Bild von Digitalisierung in den Personalservices an Hochschulen. Deshalb nutzten geladene Hochschulmanagerinnen und HR-Verantwortliche verschiedener DACH-Hochschulen den 14. Mai in Frankfurt/M. für Fachdiskussionen und Erfahrungsaustausch in kleiner Runde.

Das Thema „Auf hohem Niveau forschen, lehren und zusammenarbeiten“ rahmte die Diskussion des HR-Roundtable 2019 in einem ganzheitlichen Ansatz. So waren die Teilnehmenden einig darin, dass die Qualität von Personalprozessen im Vordergrund steht. Die wachsende Zahl innovativer Methoden und Technologien sind nur als Instrumente für dieses übergeordnete Ziel zu verstehen. Implizit ist das systemische Verständnis von Hochschulen des Berinfor Managementmodells für Hochschulen. Die Notwendigkeit optimierter HR-Prozesse wird damit ausgehend von den Zielen der übergeordneten Organisation und ihres Umfeldes betrachtet. Dieser Beitrag fasst die Ergebnisse des Tages kurz zusammen.

Recruitingprozesse sind reputationswirksam

Die Qualität von Personalvorgängen in Forschung und Lehre bedeutet für Hochschulen beim Gewinn hochqualifizierter Mitglieder einen wichtigen Baustein ihrer Reputation. Für viele Externe ist die Personalabteilung effektiv sowohl Visitenkarte als auch Leistungsausweis der Gesamtorganisation. Das Recruiting der attraktivsten wissenschaftlichen „Hotshots“ scheitert allzu leicht an bürokratischen Hürden, intransparenten Bewerbungsprozessen und langwieriger Entscheidungsfindung.

Eine neue Generation von Berufsanfängern in der Wissenschaft erwartet digitale Schnittstellen und persönliche Betreuung. Keine Eingangsbestätigung für eine Bewerbung erhalten oder nur eine Standardmail zur Absage? Monatelange Vorlaufzeiten für ein mögliches Bewerbungsgespräch und keine englischsprachigen Kanäle für persönliche Rückfragen zu Wohnungssuche und Kinderbetreuung? Wenn sich Einzelprobleme in den einschlägigen Netzwerken verbreiten, verzerrt sich schnell der Ruf einer Hochschule als Arbeitgeberin.

Umgekehrt erfordert besondere Sorgfalt im Umgang mit Bewerbungen eben oft auch zusätzliche Ressourcen. In offenen digitalen Verfahren mit internationaler Zielgruppe erhöht sich häufig dramatisch das Volumen der eingehenden Bewerbungsunterlagen. Qualifikationen unterschiedlicher Bildungssysteme müssen vergleichbar gemacht, individuelle Stärken fair bewertet und die relevanten Gremien eingebunden werden. Kapazitäten und Kompetenzen der HR-Abteilungen erreichen ihre Belastungsgrenzen, wenn Standardprozesse fehlen und repetitive Arbeiten mühsam von Hand erledigt werden müssen.

Insellösungen gefährden Datenschutz und Compliance

Selbstverständlich hat das Thema Datenschutz hohe Priorität. Vielen Hochschulleitungen ist nicht genügend klar, dass die 2018 in Kraft getretene Datenschutzgrundverordnung der Europäischen Union (DSGVO) hohe Anforderungen auch an bereits etablierte Prozesse stellt. Auf Anforderung eines Bewerbers muss eine Hochschule nachweislich in der Lage sein, sämtliche personenbezogenen Daten vollständig und irreversibel zu löschen. Das ist generell nur möglich, wenn alle Unterlagen über eine geschlossene Prozesskette digital abgewickelt werden. Die Compliance-Risiken lauern in Email-Forwards mit Lebensläufen im Attachment und ähnlichen verbreiteten informellen Praktiken.

Ein ganz eigenes Problem verbirgt sich aber gerade in der Vielfalt moderner Software zur Unterstützung solcher Personalvorgänge. Spezialisierte Tools bieten kostengünstig oder sogar kostenlos Erleichterung für viele HR-Themen, von Rekrutierung und Personalverwaltung über interne Weiterbildung und selbstgesteuerte Trainings. Reto Rüegger, CEO von Softfactors, betonte in seinem Impulsreferat, dass man sich dafür in den „Dschungel der Startups“ wagen muss. Allerlei Insellösungen können aber meist nur kurzfristig Abhilfe schaffen, wenn die Zusammenarbeit von Stab und Linie verbessert werden sollen. Ist eine stärkere dezentrale Steuerung wissenschaftlicher Personalverwaltung das Ziel, müssen sich Hochschulleitung und Fachbereiche letztlich für einen integrierten Ansatz entscheiden.

Eigene Logik der Digitalisierung für Hochschulen

Unverändert folgen Rekrutierungsvorgänge in Hochschulen ihrer eigenen Logik, die mit Fragen von Effektivität und Effizienz nicht endgültig erfasst wird. Zu Beginn einer Wissenschaftslaufbahn sind befristete Arbeitsverträge häufig üblich und geographische Mobilität meist wünschenswert. Was stipendien- und projektbezogene Leistungen wert sind, ist in einem Lebenslauf nicht immer klar erkennbar. Deshalb benötigt das Personalmanagement in Hochschulen eigene Werkzeuge, die auch Gremienbeteiligung und Governance berücksichtigen, vom Personalrat bis zum Landesministerium.

Notwendiger Schritt vor der Investition in digitale Lösungen ist deshalb ein bewusst vollzogener Kulturwandel. Personalabteilungen müssen umdenken, damit agile Dienstleistungen eines modernen Personalservice erfolgreich die Bürokratie einer öffentlichen Verwaltung ablösen können. Digitalisierung beginnt für das HR deshalb mit der Frage nach den gemeinsamen strategischen Zielen? Was soll eine gute (öffentliche) Hochschule leisten – und wie sieht das passende Personalmanagement dafür aus?

Die festzustellende Skepsis kann einer ehrlichen Bereitschaft für den digitalen Wandel also erst dann weichen, wenn sie zunächst ernst genommen und adressiert wird. Bei allen Unwägbarkeiten der aktuellen Trends ist doch eines sicher: digitalisierte Abläufe in der Personalverwaltung sind die Zukunft. Sie können Qualität sichern, sofern sie diejenigen Abläufe vereinfachen helfen, die sich für Automatisierung eignen. Mit der gewonnenen Zeit bleibt den Mitarbeitenden mehr Raum für die persönliche Betreuung, den Einsatz innovativer Methoden und die eigene Kompetenzerweiterung.